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Bill Gates im Computerclub

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Die Story zur MDR-Sendung "Sonntag - die Show der Überraschungen" mit Axel Bulthaupt am 23.04.20.., in der der Vorsitzende des Senioren-Internet-Club Leipzig e.V., Harry Wenzel, überrascht werden soll


Donnerstag, 20.4

15.45 Uhr in der Gutenberg Galerie - das Vorspiel zum Countdown 

Harry Wenzel will sich mit Vertretern der (vermeintlichen) Agentur Wolf in der Gutenberg Galerie treffen.  Er weiß nicht, dass wir alle da sind und gespannt der Dinge harren, die da auf uns zu kommen werden.

Wir sitzen erwartungsvoll im Vorraum der Begegnungs- und Bildungsstätte "Aktives Alter - neue Medien". Im Seminarraum findet z.Z. noch ein Kurs von Dr. Jürgen B. statt. Anwesend sind: Prof. L., Margot und Günther S., Helga und Frieder B., Renate und Diethelm R., Renate F., Ingrid S., Volkmar G. und ich.

Punkt 16.00 Uhr taucht Harry auf. Erste Verwunderung von seiner Seite. Warum sind alle da? Die Erklärung ist eindeutig: "Harry, wir lassen dich nicht in Stich." Hürde genommen, Harry kauft es uns ab.

16.10 Uhr tauchen zwei korrekt gekleidete Herren im dunklen Anzug von der (angeblichen) Agentur Wolf auf und wünschen Herrn Harry Wenzel zu sprechen. Einer davon ist uns bereits aus der missglückten Security-Show bekannt. Harry weiß natürlich auch sofort Bescheid - aha, der Agenturchef Wolf persönlich! - und zeigt ihnen erst einmal die kalte Schulter, sprich, er lässt sie warten und unterhält sich mit uns. Ein bisschen Einsehen zeigen die Männer, bitten aber Harry unmissverständlich um ein Gespräch unter vier Augen. Sie verschwinden in einem der Seminarräume.

Inzwischen hat Dr. Jürgen B. seinen Unterricht beendet, und wir wechseln in den frei gewordenen Seminarraum, unseren Clubraum.

Einige Minuten gespannten Wartens vergehen. Dann taucht Harry sichtlich zufrieden wieder  bei uns auf.

Gespannt lauschen wir seinem Bericht. "Also, die haben sich bei uns entschuldigt. Der Wolf hat zwei seiner Mitarbeiter, den großen, langen mit dem Cowboyhut (Axel Bulthaupt - oh, wenn Harry das wüsste!) und den mit der Kamera fristlos entlassen. Seine Firma wäre auch erledigt, wenn das Verhalten seiner Mitarbeiter publik würde. So was kann er sich nicht leisten. Er war richtig dankbar, dass ich ihn aufgeklärt habe. Die Bänder werden wir wohl nie wiedersehen. Da kann schon längst eine Kopie davon gezogen sein. Ja, das müssen wir in Kauf nehmen"

Harry schweigt eine Weile nachdenklich, dann holt er zu der entscheidenden Mitteilung aus: "Aber das andere stimmt. Die hochrangige Persönlichkeit kommt uns besuchen. Sie kann jeden Augenblick eintreffen." Davon aber lässt sich Harry längst nicht mehr aus der Ruhe bringen, sondern beginnt seelenruhig, uns den Gebrauch eines Forums zu erklären, das er neu in seine Homepage eingebunden hat.
 

Und dann passiert es. Die Tür wird aufgerissen, ein Mann stürmt herein, gefolgt von einem Dolmetscher und einem Kamerateam. Neben der Tür postieren sich zwei stämmige Bodyguards. Der Mann dreht eine schnelle Runde durch den Raum und bleibt vor Harry stehen
Er trägt eine helle Hose, ein blaues Hemd und einen beigefarbenen Pullover, lässig über die Schulter geworfen, wahrhaftig, so steht er vor Harry -
 smart und (in Anbetracht der angespannten Situation) unverwechselbar ein Volltreffer: Bill Gates.

Die Überraschung ist gelungen. Harry ist denn doch verblüfft. Dieser Moment muss zu einem schnellen Gespräch genutzt werden. Das hat der Dolmetscher perfekt im Griff. Er hält das Gespräch flüssig am Laufen.

"My name is Wenzel, Harry Wenzel", stellt sich Harry vor.

Na prima, er ist sich zwar nicht 100% sicher, aber er beißt an, er hat heute morgen keine Zeitung gelesen, kein Radio gehört, alles läuft bestens.

Bill erkundigt sich, ob wir Software von Microsoft verwenden. Harry bejaht.
Ob wir damit zufrieden sind? Ja, sagt Harry, wir sind zufrieden, aber mit der Sicherheit gibt es schon noch Probleme. Bill lächelt und versichert, dass er das weiß und dass sie dran sind und das beheben werden. Dann möchte Bill wissen, ob Harry uns Schulaufgaben aufgibt. Nein, lacht Harry, die Zeiten sind vorbei, hier ist alles freiwillig. Plötzlich wird Bill  ein bisschen persönlicher und erkundigt sich, was Harrys Bein macht. Diese Wende des Gesprächs verwundert Harry sehr, man sieht es ihm deutlich an, aber er ist ein höflicher Mensch und antwortet wahrheitsgemäß, dass er keine Beschwerden mit dem Bein (welches auch immer, er hat zwei) hat. Was das Rheuma macht? Auch jetzt bleibt Harry gelassen und versichert Bill, dass er Gott-sei-Dank noch nie Rheuma hatte. Bill ist darüber sichtlich erfreut, lacht und lädt Harry und seine Frau für den Abend zu einem Event verbunden mit einer Präsentation ein. Harry sagt: "Es ist mir eine große Ehre." Dann rauscht Bill mit seinem Tross zur Tür hinaus.

Kurzes Durchatmen. Der Dolmetscher kommt noch einmal zurück und verkündet, die Einladung gilt natürlich für alle Clubmitglieder. 19.45 Uhr  steht ein Bus vor der Galerie, der uns abholen wird. Damit ist der Spuk erst einmal beendet.

Eine perfekte Überrumpelung. Sehr gut gespielt. Sicher hegt Harry noch immer Zweifel, ob das, was sich soeben zugetragen hat, nicht doch eine neue Täuschung ist. Er stellt sich Bill Gates geringfügig anders vor, nicht so kräftig, aber ganz sicher ist er sich nicht...

"Wer will, kann heute Abend kommen", sagt Harry. "Das ist jedem selbst überlassen. Jetzt machen wir hier erst einmal mit unserem Stoff weiter. Also, wie gesagt, 19.30 Uhr steht der Bus unten." 

Wenige Minuten später meldet sich mein Handy. Es ist Kira. Sie warten unten auf mich. Ich entschuldige mich bei Harry: meine Tochter, es ist etwas Wichtiges, aber ich will versuchen, heute Abend zu kommen. Und fort bin ich.

Ich fahre mit Kira, dem Dolmetscher und dem Camerateam direkt zur Media-City, Studio 3. Dort läuft bereits die Generalprobe. Ich bekomme einen Anhänger "Backstage" verpasst und kann mich damit auf dem MDR-Gelände frei bewegen. Jetzt erst erfahre ich, dass Axel Bulthaupt ein Interview mit mir führen will. Ich schaue mir das Treiben in Studio 3 eine Weile an, entschließe mich aber, Kira in den Schneideraum zu begleiten. 
 

Auf dem Weg dorthin gibt es ein Wiedersehen mit Bill Gates alias Geoffrey Reed. Er sitzt zusammen mit zwölf müffelnden Igeln, die abends ebenfalls in der Show gezeigt werden sollen - ein nettes, älteres Ehepaar lebt mit 80 Igeln zusammen -, in einem Raum und wartet auf den Beginn der Show. Ich habe es besser. Im Schneideraum sehe und höre ich eine Menge, alles rund um den Filmschnitt, den Text, die Musik - ein Drehbuch entsteht! Es wird sehr konzentriert gearbeitet. Trotzdem nimmt sich Kira Zeit für einen Besuch im Übertragungswagen, quasi dem Herz des Ganzen. Das ist alles sehr interessant.
Plötzlich fällt mir ein, dass Harry unseren

Leuten gesagt hat, der Bus steht 19.30 Uhr vor der Gutenberg Galerie. Jetzt bloß keine Missverständnisse mehr. Der Bus muss 15 Minuten eher als offiziell geplant vor der Galerie stehen. Nicht auszudenken, wenn die Theorie vom Veralbertwerden wieder Oberhand gewinnt und Harry die Aktion kurzer Hand abbricht und nach Hause geht. Kira nimmt sich der Angelegenheit sofort an. Kein Problem. 
In dem Moment denkt keiner daran, dass 15 Minuten eine lange Zeit sein kann, wenn sie einfach tot geschlagen werden muss, weitere Irritationen sind vorprogrammiert.

Wird der
Countdown gelingen?

Donnerstag, 20.4.

Vor der Gutenberg Galerie
19.30 Uhr

Alles exakt geplant, der Minibus ist pünktlich da, die Clubmitglieder steigen ein. Es wird ein bisschen eng im Bus. Auch kein Problem. Für Prof. L. wird ein schwarzer Mercedes bereit gestellt. Und ab geht die Fahrt in Richtung Media-City. Aber nicht auf direktem Weg. Der 15 Minuten wegen. Die Fahrer (mit dem unsichtbaren kleinen Knopf im Ohr), wenig gesprächig, ersinnen Verzögerungen (Geldwechsel, Umwege). Prof. L. kommen  Zweifel am Ziel der Fahrt. Sollte er etwa statt - wie vereinbart - zur Media-City ins nahe gelegene Rotlichtmilieu chauffiert werden?

Vor der Tiefgarage der Media-City hält der Bus. Warum fährt er nicht weiter? Vielleicht ist die Garage überfüllt? Ein Auto kommt heraus. Der Bus bleibt stehen. Die schwarze Limousine mit Prof. L. kommt heran gefahren. Der Professor wird zum Aussteigen aufgefordert und genötigt, sich als vierter auf die hinteren Sitze im Minibus quetschen. Sehr eigenartig das Ganze. Endlich geht es weiter, kreuz und quer über das MDR-Gelände. Schließlich wieder Stillstand. Vor dem Bus ein großes verschlossenes Tor...

Media-City, Studio 3
19.45 Uhr

Das Studio hat sich mit Besuchern gefüllt. Alle Plätze sind belegt. Mir wird ein vorbestimmter Platz zugewiesen, wegen des Interviews. Von meinen Clubfreunden keine Spur. Sollte etwas schief gelaufen sein? Ich werde unruhig. Der Anheizer kommt, das Klatschen wird geübt, Standing Ovations geprobt und aufgenommen

Punkt 20.00 Uhr erscheint Axel Bulthaupt.
Die Show beginnt. Nach einer Tanzeinlage (Let's dance lässt grüßen) erscheint Harry Wenzels Internetportal auf der Leinwand. Als sei alles o.k. erzählt Axel Bulthaupt von Harrys vielen guten Taten im Club und in der Bildungs- und Begegnungsstätte "Aktives Alter - neue Medien", aber kein
Harry, kein Clubmitglied - außer mir - ist im Studio. Dann sitzt Axel Bulthaupt plötzlich neben mir, das Interview beginnt. Himmel - wo bleiben die nur alle?
 
20.15 Uhr
Das große Studiotor öffnet sich. Der Minibus fährt direkt auf die Studiobühne. Im gleichen Augenblick wird die erste Reihe geräumt. Die besten Plätze für die Neuankömmlinge. 
Dann klettern die eingepferchten Clubmitglieder mehr oder weniger verdutzt dreinblickend aus dem Bus, am verwundertsten natürlich unser Harry, die Hauptperson. Er hat absolut keine Ahnung, was auf ihn zukommt. Alle haben dicht gehalten.

Noch ehe Harry Wenzel seinen Platz

einnehmen kann, wird er von Axel Bulthaupt zur Interviewcouch geführt. Bill Gates sitzt auch schon dort. Was für ein Wiedersehen!
 
Während alle im Studio darüber aufgeklärt wurden - schon wegen möglicher rechtlicher Konsequenzen -, dass Bill Gates von Geoffrey Reed aus London gedoubelt wird, muss Harry Wenzel noch eine Weile, total aus dem Stehgreif, Rede und Antwort stehen. Und das tut er mit Bravour! 
Dann folgt auch für ihn Aufklärung. Axel Bulthaupt spricht im Namen all derer den Dank aus, denen Harry Wenzel mit seinem umfangreichen Wissen in Sachen Computer, Internet und Co auf die Sprünge geholfen hat, uneigennützig, geduldig und ohne dabei auf die Uhr zu sehen.

Als besonderes Dankeschön bekommt Harry Wenzel eine Reise für ein verlängertes Wochenende nach München geschenkt, Stadtrundfahrt und Besuch im Computermuseum
mit inbegriffen. Und das Tolle daran ist: alle Clubmitglieder dürfen mit auf Reisen gehen.
 
Die Clubreise nach München ist in der ersten Septemberwoche geplant. Wir freuen uns darauf.

Was könnte unsere Freude jetzt noch verdoppeln?
Natürlich der echte Bill Gates. Wir hoffen doch schwer, dass er - sollte er Deutschland noch einmal besuchen - beim  Senioren-Internet-Club Leipzig vorbeischaut.

Unmöglich? Geoffrey Reed hat dafür eine Antwort:
"There is a thin line between genius and insanity - we erase that line."

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