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Es gibt im Leben Zeiten, da läuft einem das Herz über und man beginnt zu fabulieren. Plötzlich strömen die Worte fast ohne jedes Dazutun aus der Feder und erstaunt stellt man fest, das hat ja Melodie, das ist ja ein Gedicht.
Die hier ausgewählten Gedichte, von denen jedes seine eigene Geschichte hat, sind in  jungen Sturm- und Drangjahren entstanden und hatten immer einen sehr realen Bezug - aus ostdeutscher Sicht.
Seither schlummerten sie in irgendeiner Schublade unbeachtet vor sich hin und würden das auch weiterhin tun, gäbe es das Internet nicht, dem man so ziemlich alles anvertrauen kann. Auch wenn Gedichte etwas aus der Mode gekommen sind, diese hier gehören zu meinem Leben und einige sind noch immer aktuell. Leider. Die Welt ist seit dem Zusammenbruch des sogenannten sozialistischen Lagers nicht besser geworden, geschweige denn gerechter und sicherer.
 
 
 


 
  Das Gedicht "Ich wünsche mir den Frieden" ist sozusagen ein Auftragswerk.
Es war mitten im kalten Krieg (1981). Die Großmächte ließen wieder einmal bedrohlich ihre Muskeln spielen, als meine damals elfjährige Tochter aus der Schule nach Hause kam, jammernd, sie solle sich etwas einfallen lassen, was der Erhaltung des Weltfriedens dienlich sei. Da war erst einmal guter Rat teuer. Was sollte ein Kind für die Erhaltung des Weltfriedens tun?
Wir dachten eine Weile angestrengt nach, wie die Aufgabe zu bewältigen sei und kamen zu dem Ergebnis, dem Weltfrieden ein Gedicht zu widmen.
 
 
Ich wünsche mir den Frieden

Ich wünsche mir für diese Erde
und für die Menschen insgesamt,
dass endlich Friede werde,
drum, bitte, reicht euch doch die Hand.

Ich wünsche mir
ein Land des Friedens,
das alle Kontinente fasst
und Menschen froh des Sieges,
voll Glück und ohne Last.

Ich wünsche mir
für alle Kinder,
dass ihre Kindheit niemand stört
und für die Zukunft dies nicht minder,
damit das Morgen uns gehört.

Ich wünsch mir,
dass auf alle,
die Kriegsgelüste hegen,
der Fluch der Menschheit falle
und dass nur gute Menschen leben.

Ich wünsche mir für uns
viel Stärke und viel Kraft
um alle Kriege zu verhindern
und der Armee, die dieses schafft,
den Dank von allen Kindern.

Ich wünsch mir,
dass mich alle hören
und dass mein Wort Gedanken lenkt.
Ich möchte jeden Menschen stören,
der heut nicht an den Frieden denkt.

 
 


 
  Irgendwann habe ich mal ein Gedicht gelesen, das das Alphabet als Grundlage hatte. Das hat mich dazu animiert, all das niederzuschreiben, was mir ganz spontan in den Sinn kommt, wenn ich mich streng an die Reihenfolge halte. Daraus ist "Mein AlphaZet" entstanden.  
  Als Anregung, versuchen Sie es doch auch einmal.  
 
 
 

Mein AlphaZet

Mein alles ahnendes A,
beklommen B-bedacht,
voll Colour-C und Danke-D,
schenk E den Ewigkeiten,
F der Freude und der Ferne,
G für Glanz, Gloria und Glut.
Heiterkeit-H! Nur Himmel über'm Hof?
Du irgendwoirgendwie-I
fern junger Jahre Jubel-Ja,
der kleinen Kinder Kummer-K,
M meiner Mutter Müdigkeit...
Nachtwolken-N, ach gib mich frei!
Horch, der Orgel-O ein Oh-Gesang!
Wisch Purpur-P die Pein hinweg,
Q meine Qual wie R so rein
samt Sehnsucht-S und Traumland-T.
Zu U dem Ufer hin -
flieg Vogel-V. Vorwärts! Voran!
Hurra! Entwischt dem Wehwind-W.
Xenia-X für Yama-Y!
Ich lass zurück mein Z der Zeit
als zornig Zeugen der Zerrissenheit.

Mein alles ahnendes A gib Ruh
oder mehr, mehr, viel mehr dazu.

 
 


 
  "Moritat im Frühling" ist aus einen übermütigen Laune heraus entstanden. Es war üblich, dass jeder etwas zum Gelingen der gemeinsamen Feten beisteuerte, auf denen es in der Regel recht feucht-fröhlich zuging. Und da ich inzwischen bereits so eine Art Dichter für alle Gelegenheiten war, war es halt wieder etwas in Versform.  
 
 
 
Moritat im Frühling

Der Winter ist vergangen,
der Frühling will ins Land.
Du hast dich aufgehangen.
Ich bin davon gerannt.

Ich rannte über Stock und Stein,
zu fliehn dem tragischen Geschick.
Auf einmal sang die Nachtigall:
Ach komm, ach komm zurück.

Am Ort des Schreckens stand ich still
und wagte nicht den Blick zu heben.
Nur deinen Namen rief ich schrill.
Oh, tätest du noch leben.

Im zarten Grün die Blätter schimmern,
des Baumes Krone wiegt im Wind.
Da hörte ich ein leises Wimmern:
Ach, nimm mich ab geschwind.

Im Nu schon bin ich oben auf dem Baum
und schneid entzwei den Strick.
Es saust vorbei der böse Traum.
Gerettet dein Genick.

Du siehst die Welt mit andern Augen,
spürst alles Leben, das erwacht.
Willst auch zu irgendetwas taugen,
vorbei die viel zu frühe Nacht.

Der Frühling gibt dir eine Chance,
drum gehe ihm entgegen,
tritt fest und halte die Balance
auf allen deinen Wegen.

 
 


 
  In memoriam: "Ein Liebeslied". Es sollte schon jeder einmal eine schlaflose Nacht damit verbracht haben, seine Gefühle in Worte zu fassen. Das gehört einfach dazu. Und so stammen meine Worte auch aus einer Zeit, in der man zum Überschwang neigte und felsenfest davon überzeugt war, dass die Flamme der großen Liebe ewiglich lodert. Und das war schon eine rundum schöne Zeit,  
 
 
 
Ein Liebeslied

Aus deinen guten breiten Händen
strömt zu mir so viel Zärtlichkeit.
Sie konkurrieren
mit den warmen Sonnenstrahlen,
doch du bist nah
und jene Sonne ist so weit.

Durch diesen sanften Zauber
bersten alle meine Schalen.
Du siehst mich, wie ich bin
ganz ohne Schutz und bloß.
Ich möchte dir so viel
von meiner Liebe geben
und meine tiefe Freude
dir zu Füßen legen.
Fühl wach,
wie alles zu dir drängt,
was g'rad in mir entsteht.

Ich streichle ganz behutsam
deinen Kopf in meinem Arm.
Jetzt darfst du mir so vieles sagen,
das tut so gut,
das macht so warm.
Ich möchte dich
nach tausend Dingen fragen,
möcht wissen,
was du denkst,
was du ersehnst.
Denn manchmal,
weißt du,
schwingt in deinen Worten
solch knabenhafter ferner Ton,
dann möcht ich dich
in meinen Armen wiegen,
verzeih,
wie einen süßen kleinen Sohn.

Ich trage dich und fühl mich frei
von aller Erdenschwere.
Ich spüre dich und weiß,
dass ich nur immer dein sein will.
Um uns ist eine achtungsvolle Leere,
in uns ist alles Glück
und alles andre still.
Und vor geschlossnen Augen
formt sich mir,
was ich beim Öffnen gleich
mit tiefer Rührung seh.
In deinen liebevollen Augen brennt ein Licht,
zeigt mir dein wundersam gelöstes,
zeigt mir dein offenes Gesicht.

In diesem Augenblick
möcht ich die Zeit anhalten,
möcht nie in andre Augen  sehn,
möcht sein,
wo Ewigkeiten walten,
möcht nur mit dir
durch's Leben gehn.

Ich möchte sein,
was du am meisten suchst,
was unaussprechlich
immer deine Sehnsucht war,
ein Traum aus einem Märchenland.
Ich möchte mit dir einen Berg besteigen,
möcht unser Ziel
hoch oben,
den Sternen nahe,
aber immer vor uns sehn.
Ich möchte dich auch dann begleiten,
wenn Sturm aufkommt,
wenn Schauer uns das Fürchten lehren,
wenn Angst in unsren Augen steht.
Ich möcht der Mensch an deiner Seite sein,
wenn du nach Halt den Arm hinstreckst
dem einen andren Menschen,
der dir die Hand ganz ohne Zögern reicht.

Dies ist die große Stunde
für zwei Menschen, die
dem Paradies ganz nahe
Vollkommenheit erschafft.
Die Chance wird wie neu geboren,
ein Anfang für das All erdacht.
Das lichte Wunder
spinnt den Faden,
dass ihm die böse Fee nichts tut
und lenkt den Strom voll von Gedanken
dahin, wo gleiche Liebe wohnt.
Es webt dem Traum
aus Maiduft eine Hülle,
die seine zarten Flügel schützt
und gibt ihm Aufwind
bis zum Himmel,
damit er nicht herunter stürzt.
Dort steht mit Wolkenstift
in tiefstes Blau geschrieben:
So ist es recht, ihr sollt euch lieben.

 
 


 
  Nun wird es ein wenig zeitgeschichtlich.
Den Ungarnaufstand haben wir 1956 als Pennäler in unserer vogtländischen Kleinstadt miterlebt. Wir waren völlig aus dem Häuschen und schwadronierten von der großen Freiheit, weswegen wir letztendlich beinahe von der Schule geflogen wären.
Man darf bei Leibe nicht denken, dass wir - tief im deutschen Osten - hinter dem Mond gelebt hätten. Damals tendierten wir zur Philosophie des Existentialismus Camusscher Prägung. Sartre lehnten wir aus Sympathie zu Camus ab. Alles ist erlaubt, wenn wir nur bereit sind, für die Folgen einzustehen, und Sisyphos stellten wir uns als einen glücklichen Menschen vor. Die Literatur zur Erlangung solcherlei Erkenntnisse besorgten wir uns fantasievoll teils auf krummen Wegen.
Um unserer Protesthaltung energisch Ausdruck zu verleihen, beschlossen wir, in die Ost-CDU einzutreten, die nahm Jugendliche schon ab 16 in ihre Reihen auf. Doch bereits auf der ersten Parteiversammlung, die in einer engen, verräucherten Kneipe anberaumt war, kam die große Ernüchterung über uns. Wir saßen da unter lauter verdutzt dreinschauenden, langweiligen Opas, die uns nicht gewachsen waren und nicht wussten, wie sie uns begegnen sollten.
Auch wir wussten nicht, was wir dort sollten - nur Ebbe, keine Flut - und zu kämpfen gab es gleich gar nichts. Deshalb sind wir aus dem Gammelverein schnell wieder ausgetreten. Die ganze Sache war ein erbärmlicher Flop.
Das Gedicht "Ohnmacht" ist so ziemlich mein einziger einsamer Ruf in der Wüste geblieben.
Etwas verändern wollen, aber nichts verändern können - eine wenig ermutigende Erfahrung .
 
 
 
 
Ohnmacht

Ich bin nicht Gott, nicht das Gewissen,
bin nicht der Mut und nicht die Tat.
Ich bin die Ohnmacht und zerrissen,
weil ich den ersten Schritt nicht tat.

Ich lenk im Kriegsgewühl die menschverdammte Kugel,
die immer wieder akkurat den Falschen schleift.
Im Traum entschwebe ich als blauer Vogel, blüh ich als Edelweiß,
nach dem die Hand vergeblich greift.

Ich fühl die Schuld, die auf mir lastet,
das Räderwerk, das träge stetig unaufhaltsam mich erfasst,
den Zeiger jeder Uhr, der nach der Zukunft tastet.
Ich bin die Zeit, die Mensch du nicht mehr hast.

Ich lieg gekrümmt, zertreten wie ein Wurm,
hoch auf dem Seil steh ich ohne Balance.
Ich bin getrieben wie ein Blatt im Sturm.
Ich bin der Menschheit allerletzte Chance.

Ich bin, der dir die blassen Wangen streicht,
der seinem ärgsten Feind will geben,
der nicht von deiner Seite weicht,
nimm's an: Ich bin das Leben.

 
 


 
  Das große, stumme Protestieren gegen Gott und die Unzulänglichkeiten dieser Welt ging weiter ("Faust"-Textbuch und Faust in der Tasche), aber es änderte sich nichts. Die Mauer und die Kubakrise kamen über uns und mit diesen Ereignissen die Furcht vor den amerikanischen und russischen Atomraketen, vor einem 3. Weltkrieg. Es war wirklich zum Verzweifeln, wenn man tatenlos zusehen musste, wie wenig konstruktiv auf beiden Seiten Politik gemacht wurde.
"Ungeduld" gibt ein wenig Einblick in unsere psychische Verfassung Anfang der 60ger Jahre. Wir saßen ganz schön in der Falle, in jeder Beziehung. Aber die faustische Vision (Faust II, "Auf freiem Grund mit freiem Volke stehn..."), auch wenn er von seinem Antipoden übelst übers Ohr gehauen wurde, war nicht tot. Mit Goethes "Faust" sind wir aufgewachsen. Seine letzten Worte haben wir auswendig gelernt. Ernüchternd die Erkenntnis: Worte, alles nur Worte, nichts als Worte...
 
 
 
 
Ungeduld

Wenn Menschen ihre Leben ineinander weben,
stehe ich daneben
und blicke mild und freundlich drein.
Mein Werk auf Erden heißt verkünden,
dass sich die Blicke alle finden.
Als Leuchte stehe ich in jeder Straße.
Kommt! Lauft, springt, fliegt, schwimmt in die Oase!

Wo große Männer sich die Hände drücken
und über ihre Grenzen blicken,
kraul ich im Sog von ihren Kuss.
Nach dem Umarmen kenn ich kein Erbarmen.
Mein Wort, es ist so hart wie Stahl:
Zu Ende sei es mit der Menschheit Qual,
der Faustkeil ist ihr abgenommen,
des Menschen zweiter Tag hat heut begonnen.

Steig runter von dem feindlichen Geschütz!
Es ist nichts nütz. Nichts nütz!
Du wirst mein Feind nun nie mehr sein.
Ich werde deine Tochter frein
und sie und ich, wir werden Kinder zeugen,
die niemals ihren Rücken beugen.
Die Zukunft braucht den Menschen rein.
Solch einen Vater nennst du dein.

Du, Vater, weist mich heute zu den Sternen.
Ich sitz zu deinen Füßen, um von dir zu lernen.
Aus der Bewund'rung tauch ich fordernd auf.
Was du denkst, ist mir Brauch.
Ich will nicht irren, suchen, nicht probieren.
Ich will, dass sich in meinen Händen Zeiten wenden.
Sieh, ich muss vollenden.

Ich will nicht nur an einer Zukunft bauen.
Ich will ans Ziel und schauen. Schauen!
Gebt mir ein Horn, ich werde blasen,
dass aus der letzten Nacht ein jeder Mensch erwacht.
In allen Augen lasst mich die Erkenntnis sehn,
dass wir am offnen Tore eines freien Morgen stehn.
Du Augenblick, lass dich genießen.
Ich werde nie - niemals! - wie Faust die Augen schließen.

 
 


 
 

Die im Westen hatten ihre Achtundsechziger, wir im Osten hatten den Prager Frühling.
Letzteres war uns wichtiger. Obwohl wir im tiefsten Inneren eine Veränderung der Zustände nicht für durchsetzbar hielten, war da so ein banges Hoffen auf Vernunft, ein Ahnen von fast unbegrenzten Möglichkeiten, wenn es gelänge, das Ruder doch noch herum zu reißen, eine Gesellschaft zu schaffen, die die Würde des Menschen über alles stellt und ausstrahlen ließe auf die gesamte ihn umgebende Natur...
"Vom Menschen-Ich" erzählt meine Version dieses Traums.
Man möge mich nicht für töricht halten, ich war noch ziemlich jung.

 
 
 
 
Vom Menschen-Ich

Vom Menschen-Ich,
dem kleinen, so alleinen
in dieser großen weiten Welt,
das zaghaft fragt,
dann wieder schweigt
und seinen Blick zur Erde neigt,
möcht ich ein Lied heut singen
und alles zum Erklingen bringen.
Damit es jeder hört.
Damit es jeden stört.
In tiefsten Innern dieses Beben,
lausch doch hinab,
es sprengt das Tor zum Leben.

Sei du ein Adler
und gleite mit gebreiten Schwingen
in Wolkenhöhe über allen Dingen
und frag dich nach dem Sinn.
Ob ich wohl so viel anders als du bin?
Du willst nicht hungern,
willst nicht frieren
und deine Artgenossen nicht verlieren.
Du willst ein Nest dir bauen,
wirst nie jedem trauen,
magst gern von oben runter schauen
und hin und wieder
sträubt im Zorn sich dein Gefieder.
Dies sei's  aus deiner Sicht.
Jedoch so einfach haben wir es nicht.
Was dir, mein Freund, so dauerhaft ist angeboren,
das ging uns auf dem langen Weg verloren.

Was weiß die Orchidee
von jener Pracht,
die jede Nacht fast greifbar,
schillernd, lockend,
einem Irrlicht gleich,
ahnungsschwer durch deine Träume streicht.
Besuch das Ich in seinem Traum,
es lässt in weite Räume schaun.

Ich steh im Bann vor dieser Tiefe
und jede Stufe ist ein Grab,
führt ein Jahrhundert mich hinab.
Und aus dem Dunkel,
das der Mensch durchschritten,
seh ich nur immer Augen auf mich blicken.
Wer bin ich denn? Kann es nicht fassen,
dass diese Augen mich nicht lassen.
Ich ahn's. Ich weiß, sie sind's. Sie sind es alle,
die Menschenseelen der Vergangenheit,
die allen Atem gaben für die Menschlichkeit.
Ihr Blick! Mir setzt der Herzschlag aus
und meine Beine wanken.
Was soll ich tun? Ihnen für ihre Taten danken?
Doch Schamesröte hält mich davon ab.
Ich bin der Falsche, nicht der, den ihr sucht.
Ich bin ganz unbedeutend, bin ein Nichts.
Und schnell will ich mich wenden.
Da halt ich schon im ersten Strahl des Lichts
die Verantwortung in meinen Händen.

Mich zwingt ein neuer Tag den Blick zu heben
und das Jahrtausend raunt mir zu:
Dich Menschen-Ich, dich muss ich senden,
denn nie darfst du die Kraft
in deinen schönen, vollen Händen,
die alles alles kann bewenden,
in einem unbedachten Augenblick verschwenden.
Du Menschen-Ich begreife deine Macht und Fülle,
sei wach, verschmelze dich, sei Wille.
Schon immer hat Natur den Stärksten nur,
der angepasst und eins mit dieser Welt,
sich an die Bestimmung seiner Sendung hält,
die Führung überlassen.
Davon weich keine Handbreit ab in dieser Zeiten Beben.
Deine Bestimmung heißt: Leben, Leben, Leben.

 
 


 
  Obwohl es weder in Ost noch in West jemand ernsthaft als Konfliktlösung in Betracht ziehen konnte, obwohl es total irrsinnig war, das Szenario eines Atomkrieges ließ sich aus unserem Bewusstsein nicht verdrängen. Der "kalte Krieg" und das angestrebte "Gleichgewicht des Schreckens" stellen eine üble Periode in der an sich von Aufklärung geprägten, jüngreren Menschheitsgeschichte dar.
Mit dem Gedicht "Die Menschen, weiß du, waren fast schon gut..." habe ich versucht, das auszumalen, was übrig bleiben könnte, wenn es geschieht. Nicht viel, aber immerhin etwas: die mütterliche Tat, das träumende Wort, der Wind, der Regen und ein paar Samen als Prinzip Hoffnung...
 
 
 
 
Die Menschen, weiß du, waren fast schon gut ...

Das kleine Wort,
den Träumen nah
es fragt:
Ist's wahr, dass Blumen blühten. Blumen?

Ja, Blumen blühten.
Auf grünen Wiesen blühten Blumen bunt
und Schmetterling tanzten in der Sonne.
Wälder waren,
deren Wipfel rauschten sanft im Wind.
Darüber wölbte sich der Himmel - blau.

Wie schön!
Erzähl mir noch vom Wind!

Der Wind...
Er kam als Sturm
frei, wild und ungezügelt übers Meer.
Spät ward er still und legte sich
zur Ruh im Abendschein,
weil er die Wolken liebte
fern am Horizont,
in die die Sonne mit gerötetem Gesicht
die Wangen zärtlich schmiegte.
Das mocht er gern. Das stimmt ihn mild.

Ich mag den Wind.
Er könnte doch mein Bruder sein,
weil er so frei war, wie wir's immer ahnten.

Ja, ja der Wind.
Ich glaub, er ist geflohn.
Er hat sich so erschreckt.
Jetzt weilt er einsam wohl bei fremden Sternen.
Schlaf ein, mein Kind, Schlaf ein...

Ich bitt dich, 
sprich mir noch von jenem Wesen,
das mit so wunderbarer Macht
uns Worte hat erdacht.

Ach, kleines Wort, schlaf ein,
denn schön sollen deine Träume sein.
Die Menschen, 
weißt du, 
waren fast schon gut
und konnten hier auf Erden
mit ihren Sorgen fertig werden.
Von mir, der Tat, waren sie entbrannt.
Mit dir, mein Kind, ward Großes schon benannt.
Jedoch sie waren zu schwach
das Wort zu finden,
das alle band, den Hass zu überwinden.
Sie waren zu schwach.
Glaub mir, sie waren bis zuletzt
von ihren Taten selbst entsetzt.

Mutter,
sag mir,
wird die Nacht denn ewig sein?
All die großen guten Worte gab ich ihnen doch.
Ich weiß von Liebe und Geborgenheit,
Vernunft, Geist, Mut und überwundnem Leid.
Ich weiß von Freude, Frohsinn, Lust
und all den Träumen in der Menschen Brust.
Sag, muss die Nacht denn sein?

Schlaf ein, mein Kind,
und werde wieder stark und groß.
Ich wache in der Erde Schoß
und ruf mit Namen alle Samen.
Wo ich geh und steh,
späh ich nach der Idee
und werd sie fassen.
Trotz aller Beben,
wir werden überleben,
neu und regen,
am Anfang aller Dinge sein.
Einst kehrt von seinem fernen Ritt
der Wind zu uns nach Haus zurück.
Der zwingt die Wolken weit hinab,
dass sie sich ballen,
und schwere Tränen auf die nackte Erde fallen,
die in tief allen Keimen widerhallen.
Dann spann ich den Regenbogen über die gereifte Erde,
dass es ein neu Beginnen werde.
Dann, Kind, weck ich dich wieder auf,
dann, Kind, trägst du die Kunde: Zeitenwende!
auf alle Kontinente.
Ich, Tat, du, Wort, der Wind und auch der Regen,
wir bringen dieser Erde Segen.
Schlaf, schlaf...

 
 


 
  Die Dichterei habe ich mehr oder weniger - eine gewisse Rückfallgefahr ist nicht ausgeschlossen - ruhen lassen. Heute ist sie nur noch ein Spiel, z. B. mit meinem Enkelkind. Sag mir, was fällt dir zu dem Wort "Herbst" ein? Oder zu einem anderen malerischen Wort. Es gibt deren unzählige. Sag mir, was stellst du dir unter Fantasie vor? Und wohin kann sie dich tragen?  
 
 
 
Herbst

Windesrauschen, Windgesang
Blätter wirbeln stundenlang
mit den Wolken um die Wette.
Ach, wenn ich doch Flügel hätte.

Ließ mich in die Höhe tragen.
Ließ mich Ungebundenheit und Freiheit wagen.
Möcht hoch droben tanzen wie noch nie
nach des Sturmes wilder Melodie.

 
 


 
  Und dann macht sich ein kleiner Bub von acht Jahren doch tatsächlich die Mühe, nach Reimen zu suchen, um einem besonderen Erlebnis Ausdruck zu verleihen. Mit ein bisschen Hilfe bei der Wortfindung ist daraus "Herbst am Meer" entstanden. Immerhin, ein Anfang...  
 
 
 
Herbst am Meer

von Jan D. (8)

Hör ich früh die Möwen schreien
lauf ich an den Strand
und ich hab für alle
was zu futtern in der Hand.

Wenn wir abends spazieren gehn,
sinkt die Sonne schneller.
Wenn die Sterne hoch am Himmel stehn,
wird es wieder etwas heller.

Herbst ist jetzt am Ostseestrand.
Die Wellen tanzen wie verrückt.
Ich halt meinen Drachen fest in der Hand
und bin von diesem Spiel entzückt.

 

Frühling

von Jan D. (11)

Osterglocken in meinem Garten
wollen in den Frühling starten,
wollen mit den Blumen blühn,
die auf der großen Wiese stehn.

Die große Wiese ist ganz bunt.
Gänseblümchen, Veilchen geben kund:
Das große Blühen hat begonnen
und der Frühling hat gewonnen.

Überall spürt man Erwachen,
Vögel zwitschern, Kinder lachen
tief im Tal und auf den Höh'n -
Frühling, du bist wunderschön.
 

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